
Immer weniger Deutsche bestellen Currywurst
Jahrzehntelang war die Currywurst – Wurst mit Currysauce – ein beliebtes Gericht in Betriebskantinen. Doch es scheint, als kühle die deutsche Liebe zu diesem Gericht ab, während internationale Speisen die beliebteste deutsche Wurst verdrängen.
Offiziell gilt Herta Heuwer als Erfinderin der Currywurst. Sie behauptete, im September 1949 die deutsche Wurst mit einer speziellen Sauce aus Tomaten und Gewürzmischung verfeinert und in ihrem Berliner Imbiss angeboten zu haben, schreibt die DW.
Andere Städte wie Duisburg oder Hamburg haben ihre eigenen Versionen der Geschichte, städtische Legenden, laut denen das berühmte deutsche Gericht – gebratene oder gebrühte Wurst mit Tomatensauce und Curry – bei ihnen entstanden sei.
Wie auch immer, nach dem Krieg eroberte die Currywurst die Herzen und Mägen der Deutschen und wurde zum Nationalgericht Nummer eins. Jahrzehntelang war sie der unangefochtene Star der Betriebskantinen.
Der große Lieferant von Kantinen und Hersteller von Fertiggerichten Apetito erstellt seit 1992 eine Liste der beliebtesten Gerichte auf Basis der Verkaufszahlen. In 28 von 33 Jahren war die Currywurst das beliebteste Mittagessen. Doch dann begann ihre Beliebtheit langsam zu sinken. Derzeit liegt die Currywurst auf Platz vier.
„Unsere Verkaufsdaten zeigen einen Trend hin zu internationalen Gerichten und bewussterer Ernährung“, sagt Apetito-Vorstandschef Jan-Per Labs.
Auf Platz eins steht der italienische Klassiker Spaghetti Bolognese, gefolgt von „Chicken Korma“ mit Reis auf Platz zwei und dem indonesischen Gericht „Bami Goreng“ auf Platz drei. Das Essen am Arbeitsplatz wird internationaler.
Auch die Anzahl vegetarischer Gerichte nimmt zu. Unter den Top 10 befinden sich das deutsche Käse-Nudelgericht „Käsespätzle“ sowie „Chili sin Carne“ – schwarze Bohnen ohne Fleisch – berichtet N1.
Selber Kochen – Ein veraltetes Modell
Es gibt noch Betriebskantinen, die selbst kochen und bei denen neben der Verwendung von Halbfertigprodukten Köche ihre Ideen einbringen und eigenständig kochen. Eine davon ist die BMW-Kantine in München, die mit acht Millionen Besuchern jährlich die meistbesuchte in Deutschland ist.
Generell gilt: Selbst kochen ist veraltet. Immer mehr Unternehmen setzen auf Catering. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Gemeinschaftsgastronomie (DIG) heißt es, „nur so lassen sich die zunehmenden Herausforderungen bewältigen“.
Marcel Klinge vom Institut meint, dass der Fachkräftemangel diesen Trend ausgelöst habe: „Ein Teil des Angebots besteht aus tiefgefrorenen Fertiggerichten, die in die Kantine geliefert und von Hilfskräften zubereitet werden – als Ausgleich für fehlende Köche.“ In der deutschen Gastronomie fehlen 40.000 Köche.
Den Großteil machen große Kantinen aus. In deutschen Betriebsrestaurants werden täglich 17 Millionen Mahlzeiten ausgegeben.
Apetito verzeichnet steigenden Umsatz
Labs, Vorstandschef von Apetito, betont, dass ihre Stärke darin liegt, dort Angebot zu liefern, wo die Nachfrage wächst. Er sagt, sie versorgen eine Million Menschen in neun Bundesländern.
Im vergangenen Jahr erzielte das Unternehmen mit Sitz in Rheine (NRW) einen Umsatz von 1,35 Milliarden Euro – ein Plus von 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Rund 55 Prozent des Umsatzes entfallen auf Deutschland. Labs ist zuversichtlich, dass das Wachstum anhält.
Welche Zukunft hat die Currywurst?
Auch die Europäische Union mischt sich nun in das Kantinenwesen ein. In Brüssel wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Sicherheit, Hygiene, Nachhaltigkeit und Kennzeichnung von Lebensmitteln beschäftigt. Bisher war das durch allgemeine Gastronomievorschriften geregelt.
Auf dem Tisch der Arbeitsgruppe liegt auch die Regelung der „Geschmacksvielfalt in Kantinen“. Ziel ist die Standardisierung von Geschmack, Aussehen der Gewürze und Portionsgrößen. Die Brüsseler Experten befassen sich dabei auch mit der Currywurst.
Es stellt sich die Frage: Wie groß soll die Wurst künftig sein? Entspricht das Gelb des Currys den EU-Normen? Wie viel Mayonnaise macht den Kantinenbesucher glücklich?
Betriebsräte sollen Currywurst kontrollieren
Marcel Klinge, ehemaliger Bundestagsabgeordneter, meint, solche Vorschläge könnten nur ein Aprilscherz sein. Apetito-Chef Jan-Per Labs musste lachen, als er davon las. Er sagt, es gebe bereits eine „Ernährungsstrategie der Bundesregierung“, die in der Praxis nicht wirklich funktioniere. Auch die EU-Regelung werde wohl ähnlich enden.
Die Kontrolle über Produkte wie Currywurst sollen Betriebsräte übernehmen. In Brüssel ist man der Meinung, dies gehöre ebenso zu ihren Aufgaben wie Arbeitszeitregelung und Gesundheitsschutz. Jose Martinez vom Betriebsrat bei Apetito hält das für übertrieben.
Er meint, es sei nicht seine Aufgabe, Lebensmittel zu kontrollieren oder Speisepläne im Detail zu analysieren. Er ist nicht der Einzige, der hofft, dass die Brüsseler Arbeitsgruppe von solchen Plänen Abstand nimmt. „Wir haben wirklich andere Probleme als die Frage, wie viel Mayonnaise auf die Pommes kommt.“