
Wie überwindet man die Angst vor dem Zahnarzt?
Der Oralchirurg Dr. Dušan Ostojić spricht über die Phobie vor dem Zahnarzt, um zu erklären, wie man die Angst analysieren kann und um Menschen mit diesem Problem zu ermutigen, zum Zahnarzt zu gehen.
Einer der häufigsten Herausforderungen für Patienten und Therapeuten ist die unrealistische Erwartung, dass die Angst vor dem Zahnarzt „sofort verschwindet“. Die Menschen wollen eine schnelle Lösung: eine Therapie, einen guten Zahnarzt, eine Tablette – und dass das Problem an einem Nachmittag verschwindet. Doch die Wahrheit ist ganz anders, schreibt Stetoskop.info.
Angst vor dem Zahnarzt verschwindet nicht auf Knopfdruck – sie wird verstanden, analysiert und schrittweise reduziert
Angst, die über Jahre hinweg, Schicht für Schicht, oft schon in der Kindheit entstanden ist, kann nicht an einem Tag verschwinden. So wie eine Herzenswunde nicht heilt, indem man sie ignoriert, kann auch eine tiefe Phobie nicht ohne Prozess überwunden werden. Die Überwindung der Angst vor dem Zahnarzt ist ein langfristiger Prozess. Es ist wichtig zu wissen, was ihn verlangsamt, was ihn beschleunigt, wie der Abbau über die Zeit aussieht und warum Geduld, Kontinuität und Unterstützung wichtig sind.
Wie entsteht eine anhaltende Angst vor dem Zahnarzt?
Die Zahnphobie ist nicht nur Scham oder leichtes Unbehagen im Wartezimmer, noch plötzliche Panik vor der Praxis. Es ist ein emotionales und körperliches Gedächtnis vergangener Erfahrungen, verstärkt durch Fantasie, Schamgefühle, falsche Überzeugungen und jahrelanges Vermeiden des Zahnarztes. Die häufigsten Ursachen sind:
Negative Kindheitserfahrungen (z. B. schmerzhafte Behandlung ohne Erklärung).
Übertragung der Angst durch andere – z. B. ein Elternteil, das Angst oder Abneigung zeigt.
Vermeidung – je länger man den Zahnarzt meidet, desto größer wird die Phobie. Vermeidung nährt jede Art von Phobie.
Kontrollverlust und Demütigung – das Gefühl, dass jemand „über unseren Körper herrschte“ ohne unser Einverständnis.
Scham über unschöne Zähne, Mundgeruch oder vernachlässigte Mundhygiene.
„Angst entsteht nicht plötzlich, sondern baut sich wie ein Kartenhaus auf. Jede negative Erfahrung fügt eine weitere Etage hinzu. Mit der Zeit wird Angst nicht nur eine rationale Reaktion auf Schmerz, sondern ein Lebensmuster“, erklärt Dr. Ostojić.
Psychoanalytische Grundlage der Angst vor dem Zahnarztbesuch
In der Psychoanalyse wird die Angst vor dem Zahnarzt oft als Projektion verdrängter Emotionen gedeutet. Der Mund ist ein Symbol für:
Verletzlichkeit (man kann nicht sprechen, wenn etwas im Mund ist),
Kontrolle (man kann den Schmerz nicht besiegen, wenn man hilflos ist) und
Scham (Zähne als Beweis für „Vernachlässigung“, „Schwäche“, „Verfall“).
Für manche Patienten wird der Zahnarzt zu einer unbewussten Autoritätsfigur:
ein strafender Elternteil,
ein Partner, der urteilt,
die Gesellschaft, die bewertet.
„Die Angst vor dem Zahnarzt ist eigentlich die Angst vor der Begegnung mit sich selbst – verletzlich, unordentlich, unvollkommen. Deshalb muss die Therapie langsam verlaufen, denn wir behandeln nicht nur Zähne, sondern auch eine Seele, die jahrzehntelang gelernt hat zu schweigen, zu leiden und Angst zu ertragen“, erklärt Dr. Ostojić.
Warum ist die Überwindung der Zahnphobie ein Prozess und kein Moment?
Weil das Gehirn durch schrittweise Konfrontation lernt
Unser Nervensystem reagiert nicht auf Befehle („Hab keine Angst!“), sondern auf Erfahrungen. Du musst mehrmals erleben, dass die Praxis ein sicherer Ort ist und die Behandlung angenehm, damit das Gehirn eine neue, heilende Assoziation bildet.
Weil der Körper mehr erinnert als der Verstand
Ein Körper, der im Stuhl zitterte, beim Betreten der Praxis erbrach oder vor Scham weinte, vergisst nicht so leicht. Mehrfach korrigierende Erfahrungen sind nötig.
Weil Vermeidung die Angst verstärkt
Jedes Mal, wenn man den Zahnarzt meidet, wächst die Angst. Ziel der Therapie ist es, zu lernen, in der Praxis zu bleiben, das Unbehagen auszuhalten und zu erkennen, dass nichts Schlimmes passiert.
Weil jeder sein eigenes Tempo hat
Manche machen schneller Fortschritte, andere langsamer. Wichtig ist die Richtung, nicht die Geschwindigkeit. Niemand läuft einen Marathon ohne Training.
Wie sieht der Marathon zur Überwindung der Angst vor dem Zahnarzt aus?
Phase 1: Anerkennung und Information. Der Patient erkennt sein Problem, liest über Zahnphobie und sucht Unterstützung.
Phase 2: Erster Kontakt mit dem Zahnarzt. Langsam, ohne Druck. Nur ein Gespräch in der Praxis, ohne Instrumente oder Eingriffe. Aufbau von Vertrauen.
Phase 3: Schrittweise Konfrontation mit Behandlungen. Kurze, schmerzfreie Eingriffe (Zahnsteinentfernung, Kontrolle). Allmähliches Einführen von Anästhesie, Instrumenten, Behandlung. Pausen, vereinbarte Handsignale, Empathie des Zahnarztes – all das hilft sehr.
Phase 4: Festigung. Der Patient kommt regelmäßig zu Terminen und erkennt, dass er die Behandlungen problemlos übersteht. Der Körper lernt ruhig zu atmen, ohne Panik zu sitzen. Angst wird ein stiller Begleiter, aber nicht mehr der Herrscher.
Phase 5: Erhaltung und Selbstvertrauen. Der Patient nutzt erlernte Techniken: Atmung, Visualisierung, innerer Dialog. Pflegt die Mundhygiene, kommt mindestens alle drei Monate vorsorglich. Er erkennt, dass er nicht mehr derselbe ist – nicht nur wegen der Zähne, sondern auch wegen seiner Lebenseinstellung.
Was hilft beim Marathon?
KVT-Therapie – die wirksamste Psychotherapie gegen Phobien.
Emotionstagebuch – Gedanken und Reaktionen nach jedem Schritt aufschreiben.
Unterstützung durch einen verständnisvollen Zahnarzt.
Selbstbelohnung: jeder Schritt verdient Lob.
Atemübungen, Entspannung, Visualisierung.
Erfahrungen anderer Patienten – Teilen normalisiert den Weg.
Was verlangsamt den Fortschritt?
Unrealistische Erwartungen („Es muss sofort leichter werden.“)
Scham („Nur ich bin so schwach.“)
Ausreden („Jetzt nicht, vielleicht nächste Woche.“)
Fehlende Kontinuität
Falsche Zahnärzte – ohne Empathie und Verständnis.
Dr. Ostojićs Botschaft – „Einen Marathon läuft man mit Verstand und Herz, nicht mit Schritten“
„Die Überwindung der Angst vor dem Zahnarzt ist kein Sprint. Es ist ein Prozess des persönlichen Wachstums, der Konfrontation und Heilung. Es ist eine Rückkehr zu dem Teil in dir, der weiß, dass er kann, sich aber einst erschrocken hat. Du musst nicht schnell laufen.“
„Du musst niemanden besiegen außer dein Gestern-Ich. Jeder Schritt in Richtung Stuhl, Gespräch oder neues Lächeln ist ein größerer Sieg, als du denkst. Selbstvertrauen wächst unbewusst, Angst schmilzt bewusst, und das Ziel rückt näher. Denn jeder Marathon beginnt mit demselben Schritt: der Entscheidung, nicht mehr davonzulaufen. Bist du bereit?“